Was ich fühle?
Ein vages Gefühl von Schmerz. Ich fühle mich, als müsste ich schreien, aber meine Stimme ist gebrochen. Es sind mehr als zehn Jahre vergangen. Und noch immer bringe ich keinen Ton heraus.
Es ist, als würde ich umgeben sein von einer malerischen Schneelandschaft, oder schwimmend im grünen, glitzernden Meer – Wasser, soweit das Auge reicht, aber verdursten. Verdursten an der Fülle des Lebens.
In dem Glück anderer, das ich ihnen herzlich wünsche, nur die Scherben meiner gescheiterten Kindheit spiegeln sehen. Und mich fragen, wie viele Dinge anders hätten laufen müssen, damit ihr Leben irgendwann auch mein Leben hätte werden können.
Ich wünschte, ich könnte tun, was nötig ist, um mich aus meiner Misere zu befreien. Aber am Leben zu bleiben und es in vollen Zügen auszukosten sind zweierlei Dinge. Ich kann mir selbst nicht alles sein, was von außen fehlt.
Doch werde ich je etwas aus meiner Geschichte gelernt haben, wenn ich anfange wieder zu hoffen und zu vertrauen? Verliere ich nicht langsam den Verstand andere Ergebnisse zu erwarten?
Und könnte ich verkraften, in einem Sturm zu zerbersten, den ich ungewollt und in der Hoffnung herbeigeführt habe, meiner inneren Leere zu entkommen?
Ich bin entwurzelt. Es gibt zu viele Orte, an die ich gehen könnte, und nichts hält mich irgendwo fest. Wenn ich morgen sterben würde, kämen sicher einige auf meine Beerdigung. Manche würden um mich trauern, aber niemand würde sich wirklich an mich erinnern. Weil mich niemand je gekannt hat.
Alles, was ich mir je erträumt habe, die Hoffnung, irgendwann mein Leben, so wie ich es kannte, hinter mir zu lassen und einen Neuanfang zu machen ‒ all das, ist nichts, was ich erst finden muss. Alles, was ich brauchte, war immer da, unmittelbar vor meiner Nase. Nur nicht für mich.
Mit Augen, die stets auf mich gerichtet waren, aber mich nicht sehen konnten, war es fast egal, wie lautlos ich um Hilfe schrie. Wie oft jemand seine Hand nach meiner ausstreckte, mir anbot, mich aufzufangen, wo ihre Berührung mich nie erreichen, allenfalls streifen konnte.
Und trotz dessen, ich mich Mal für Mal der Sonne aussetzte, konnte mich ihre Wärme nie durchdringen. Als würden andere und ich in verschiedenen Welten leben, die sich hautnah überlagerten.
Wie naiv zu denken, ich könnte mich einfach in ihr heiteres Leben platzieren und damit verschmelzen. Als könnte die alltägliche Lebensfreude anderer auf mich abfärben, mich aus dem bodenlosen Abgrund in mir selbst befreien. Wir waren uns so nah und doch existierten wir nur aneinander vorbei.
Vielleicht war mein ganzer Schmerz sinnlos. Vielleicht hätte er ganz einfach verhindert werden können. Von all den Menschen, die ich traf, nur einen, der die Grenze durchdringt. Der ganz bewusst für mich anhält. Der mich um meiner selbst willen sehen will. Ein Mensch, der bleibt. Und meinen Rücken stärkt.
Der die Zeit mit mir genießt, und die tiefgründigen Gespräche, die wir manchmal führen würden. Der sich freut, dass es mich gibt und es mir immer wieder zeigt, damit ich es selbst glauben kann.
Ich will lieben, so sehr lieben und die ganze Stadt mit meiner Liebe überfluten. Ich wünschte, ich könnte aufhören, mich wie der Fremdkörper in dem Glück anderer zu fühlen. Aufhören, ein Passant ohne Platz in der Welt zu sein. Und den Inhalt meiner Worte zu Alpträumen von gestern werden lassen.
Aber wenn das Gehen unabwendbar bleibt, und Liebe nur eine abstrakte Vorstellung, werde ich dann mein Leben lang für eine Zukunft überlebt haben, die ich am Ende nie erreichen konnte?